Neujahrsvorsätze und Eltern-Vorsätze könnten unterschiedlicher kaum sein. Bei genauerer Betrachtung der Umsetzungswahrscheinlichkeit, der effektiven Umsetzungsquote und der zeitlich stark abnehmenden Wichtigkeit sind dann aber doch gewisse Parallelen ersichtlich. Weniger Essen, mehr Sport und ein gesünderes Leben: In den ersten Januarwochen problemlos umsetzbar, im Sommer ein vielgebrauchtes Konjunktiv und sobald es wieder kälter wird nur noch eine belächelte Randnotiz (aber selbstverständlich ein solides und prima geeignetes Fundament für die Vorsätze im nächsten Jahr in den nächsten Jahren). Bravouröse Töpfchenbenutzung, möglichst ohne Nuggi und natürlich keine ausufernde Geburiparties: drei Vorsätze. Easy, glaubten wir. Aber nicht so easy, wurden wir eines Besseren belehrt.
Als wir vor Kurzem ein Loblied auf Jaro’s Bagi-Faszination angestimmt haben, klammerten wir unbewusst eine conditio sine qua non aus. Der liebe Stöpsel für schreiende alle Fälle, genannt Nuggi. Der Schnuller – im Kreuzworträtsel mit elf Buchstaben übrigens «Gummisauger» – hat halt wirklich einen ziemlich hohen Stellenwert beim Jüngling. Wollten wir eigentlich nicht. Ist jetzt halt so. Natürlich nuckelt er nicht ununterbrochen am sehr spezifisch geformten Plastik-Ding. Aber eine Welt ohne Nuggi? Schwierig! Intensiv nuckeln, Hans der Bär innig knuddeln und fertig ist die Wohlfühloase zum Schlafen oder zur Beruhigung. Natürlich klappt es während des Tages auch prima ohne, dazu leisten wir als raffinierte kluge bemühte Eltern einen wichtigen Beitrag. Mit dem gescheiterten Ohne-Nuggi-Vorsatz im Hinterkopf entwickelten wir eine fulminante Nuggi-Box und ein ausgeklügeltes Codewort. Auf der Box sind die Benutzungsregeln klar und verständlich skizziert: Tag = Nuggi in der Box, Nacht = Nuggi im Mund. Voilà. Tag und Nacht werden vom Junior aber bisschen grosszügiger interpretiert. Aber hey, er legt das Ding wenigstens freiwillig rein. Um während der Nuggi-in-der-Box-Zeit keine Bedürfnisse künstlich heraufzubeschwören («Nuggi» hört er auch geflüstert aus grösster Distanz problemlos), nennen wir den Schnuller untereinander liebevoll «sein Lieblings-Mundstück». Schelme, wir. Auch schelmisch machen wir uns übrigens bereits jetzt praktisch täglich Gedanken über die wahrscheinlich sehr emotionale Nuggi-Lebewohl-Zeremonie. Favorit ist zurzeit den Nuggi an einem Ballon in die Luft steigen zu lassen – begleitet von den sanften Tönen aus «Highway to Hell».
Von einem schwierigen Weg zum anderen: «Highway to Töpfchen». Dort müssen wir noch einmal ein ernstes Wörtchen mit den Potty-Erfindern reden. Seit der letzten äusserst erfolgreichen Punktlandung mit anschliessender Jubelfeier geriet das Projekt korrekte Töpfchenbenutzung arg ins Stocken. In unseren Vorsatz-Hirngespinsten hätte dies so oder so bestenfalls bereits kurz nach Geburt geklappt. Oder dann mindestens mit dem ersten Wort: Anstatt «Mami» eher «Ich muss dann mal». Dem war halt überraschenderweise (!) nicht so. Wir können aber mit gutem Gewissen festhalten, dass unser Sprössling ein waschechter Freigeist ist. Besteht ein Bedürfnis, wird dies umgehend erledigt. Egal wo. Egal wie. Egal wann. Mit Windeln und ohne Windeln. Draussen und drinnen. Stehend, sitzend oder im Handstand. Esprit libre par exellence. Und wir lassen nun wirklich nichts unversucht. Zuerst war es herzig, später naja und aktuell ach herrjemine. Die anfängliche Konsternation wich dann aber schnell absolutem Verständnis mit grosser Zuversicht. Was würden wir rein hypothetisch nämlich tun, wenn wir keine durch den Menschen erfundene und in der Gesellschaft akzeptzierte Keramikabteilung hätten? Aha! Plötzlich wären wir alle Jaros! Zum guten Glück sind wir aber fast alle vernünftig. Und siehe da, was man in elterlichen Fachbüchern findet: Im dritten Lebensjahr meldet sich bei Kindern die Vernunft. Voll im Fahrplan also. Mal abgesehen davon, lohnt es sich ohnehin auch mal unvernünftig zu sein. Oder philosophischer ausgedrückt: Was ist schon vernünftig?
Zum Beispiel keine pompösen Geburi-Feste! Das haben wir uns auf alle Fälle als Eltern-Vorsatz hinter die Ohren geschrieben. Während wir uns beim ersten Wiegenfest noch in Zurückhaltung übten, war das zweite dann schon ein anständiges Geburi-Fest(li). Und wenn das so weitergeht, uiuiui – Vorsätze, ade! Aber Hand aufs Herz: Kindergeburtstage sind schon eine Attraktion für sich. Vorausgesetzt es stehen auch wirklich die Kinder im Zentrum. Zusammen mit seinen liebsten Gspändli hatte Jaro wirklich ein Riesen-Gaudi. «Sändele», planschen, rutschen, «seckle», spielen und Geschenke auspacken: traumhaft! Die Gesellschaft mit ähnlich kleinen Menschen ist für ihn das Paradies. Die grossen Menschen werden da jeweils schnell zu Statisten – ausser natürlich das Grosi hat immer und überall eine magische Anziehungskraft. So feierten wir in bester und liebster Gesellschaft einen wunderschönen Geburi. Selbstverständlich ohne über die Stränge zu schlagen. Für Tierli-Ballone hat es aber schon gereicht. Zwischen freudigen und herumtollenden Kindern sowie grandios herzig herumschwebenden Tieren fanden auch wir kurz Zeit inne zu halten. Warum um Himmels willen, schlagen wir uns mit Vorsätzen herum? Wir können ohne Bedenken auf alle Vorsätze pfeifen. Wieso nicht einfach zufrieden sein, wie wir das zusammen meistern, für einander da sind und uns über alles lieben? Irgendwo tobt Jaro füdliblutt mit Glace verschmiertem Mund und etlichen Spielgeräten in den Händen herum. Glück pur bei ihm. Glück pur bei uns. Und genau das braucht es. Weniger Vorsätze, sondern viel mehr Liebe.
19. August 2022 @ 6:47
Eifach positiv id Wält luege 😃