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Wer hätte das gedacht! Das Elternsein trägt erste Früchte: Erstaunliche Bizepsentwicklung durch gefühltes Rund-um-die-Uhr-Herumtragen, professionelle Fähigkeiten im Kofferraum-Tetris und eine signifikante Koordinationsverbesserung in der Ausübung einhändiger Tätigkeiten (mit der linken Hand Zähne putzen, ist eine neue Dimension!). Alles potentielle Goldschätze, um ausführlich und ausschweifend darüber zu berichten. Und trotzdem sehen wir uns aus aktuellem Anlass irgendwie verpflichtet, unser angestammtes Territorium zu verlassen. Aber wenn es um eine der grössten Unbegreiflichkeiten der elterlichen Neuzeit geht, dann melden sich auch die jungen Wilden einmal ein bisschen normaler professioneller zu Wort. Vaterschaftsurlaub. Um das Gesicht als nicht-meinungsbildender Blog zu wahren, erfolgt die Veröffentlichung absichtlich nach dem Abstimmungsk(r)ampf. Hier also ein Erfahrungsbericht mit ein paar weiterführenden Gedanken wie ich als Jung-Vater meine Frau während der Geburt betreute, mich auf die Schnelle ans neue Familienleben gewöhnte und noch so nebenbei die Bindung zum Neuankömmling nachhaltig prägte – locker-flockig alles an einem Tag. Nie war ein Tagesprogramm einfacher zu bewältigen. Am Tag darauf gab es ja dann viel zu berichten auf der Arbeit. Ein Tag Vaterschaftsurlaub. Ein Tag? Easy! Urlaub? Haargenau!

Meine liebe Katja sagt mir ständig (oder auf alle Fälle zwischendurch) ich sei ein guter Papi. Aber gute Papis können leider auch nicht zaubern. Hand aufs Herz: Die, die diese lebensverändernden, einmaligen Erlebnisse gewissenhaft in einem Tag auf die Reihe kriegen, haben entweder einen überzeugenden Doppelgänger angeheuert oder besitzen übernatürliche Kräfte. Oder sie haben glücklicherweise – wie auch ich – einen kulanten Arbeitgeber, der Alternativen zum eintägigen Vaterschaftsurlaub-Irrsinn bietet. Und ja, ich weiss: Teuer, schädlich für die Wirtschaft und für KMU’s organisatorisch nicht tragbar.

Aber trotzdem kann nichts in der Welt die gemeinsame Zeit als Jungfamilie ersetzen. Die Geburt von A(aah) bis Z(u dritt): einmalig! Mit dem neuen Familienmitglied das erste Mal in den eigenen vier Wänden: unbezahlbar! Tag und Nacht den zuckersüssen Jaro beobachten (und sich fragen, wie das bei diesen Eltern möglich war): unbeschreiblich! Die Liste von einmaligen Papi-/Mami-/Elternerlebnissen könnte ich nach Belieben weiterführen – und glücklicherweise wird sie ja fortlaufend angereichert. Obwohl dieser Zusammenhang wohl ein wenig hinkt: ich mag meine Arbeit, trotzdem konnte ich sie noch nie als einmalig oder unbeschreiblich betiteln. Sorry Chef (er weiss, dass ich ein emotionaler Eisklotz bin). Aber es sind ja wirklich zwei komplett verschiedene Gefühlswelten. Und dem menschlichen Gefühls- und Gewohnheitstier sollte man bekanntlich genügend Zeit geben, damit es sich ohne bleibende Schäden an neue Situationen gewöhnt. Als Unwissenschaftler stelle ich jetzt einmal die These in den Raum, dass die Missachtung dieser Papa-Angewöhnungszeit bestimmt einen Einfluss auf die Motivation und somit auch auf die Arbeitsleistung hat. Mit anderen Worten: Vielleicht ist der Unterschied der effektiven Arbeitsleistung zwischen akut verwirrten Vätern (eintägige «Urlauber») und weniger verwirrten Vätern (zweiwöchige «Urlauber») gar nicht so dramatisch. Schon hat man ein schlagkräftiges Argument Hirngespinst, um sich für eine längere Vaterschaftszeit einzusetzen! So viel zur Theorie. In der Praxis braucht es eigentlich mehr. Sowohl mehr Argumente als auch mehr Zeit.

Fundierte Argumente kann ich gerne liefern. Um trotzdem nicht zu stark unserer «Blog-Philosophie» fremdzugehen und um bei so oder so cooleren Hirngespinsten zu bleiben, verzichten wir (vorerst) darauf. Falls alles wie gewünscht läuft, nehmen wir aber gerne erste Voranmeldungen für unseren innovativen zweiwöchigen Kurs «24/7 Papi-Schnuppern für die Argumentationsbildung rund ums Thema vertretbare Vaterschaftszeit» entgegen. Hallo Geschäftsidee! Na ja, vielleicht hat das Papi-sein bei mir trotz längerer Angewöhnungszeit zu einer soliden Grundverwirrtheit beigetragen. Also weiter im Takt und Thesen-Gespenst zwei: Alle Argumente gegen eine längere Papi-Zeit basieren auf menschlicher Fiktion. Äh bitte was? Ja, richtig gehört: Wieso sind die vom Mensch erfundenen Angelegenheiten (Geld, Unternehmen etc.) wichtiger als das gewissenhafte Betreuen, Schützen und Verpflegen (zurzeit noch in den Händen der Mutter) des menschlichen Nachwuchses? Klar, ist nicht mehr eine ganz zeitgemässe Frage. Und trotzdem bin ich der Meinung, dass es uns Vätern wie auch Müttern – und natürlich allen anderen – heute um Einiges besser ginge, wenn wir die Denk- und Handlungsweise sowie die gemachten Erfahrungen aller früheren Generationen in unsere Überlegungen miteinbeziehen würden. Oder mindestens in unsere Hirngespinste. Egal, Katja geht morgen ja keine Kräuter sammeln und ich keine Säbelzahnkatzen jagen. Wir leben, respektive arbeiten in einer anderen Zeit. In einer Zeit, wo ein angemessener und zeitgemässer Vaterschaftsurlaub mehr als angebracht wäre. Ein Tag ist nichts. Und Urlaub ist es nicht. Punkt.

2 Comments

  1. Adrian Regez
    3. Oktober 2020 @ 8:14

    Inwiefern lassen sich Politik oder kapitalistische Regierungsformen mit utilitaristischen beziehungsweise deontologischen Gedanken vereinen? Ein Blog-Beitrag zu aktuellen Geschehnissen, der vielschichtig zum Denken anstösst – gefällt mir. Es isch schön ein solch bedeutungsvolles Thema aus der Paranthese zu nehmen und auf den Scheffel zu stellen. Also: Herzlichen Dank für die humorvolle textliche Auseinandersetzung und die wunderschöne bildliche Zusammenfassung.

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    • JWundEltern
      5. Oktober 2020 @ 7:57

      Utilitarismus und Deontologie? Da war doch mal was 🤔 Auf alle Fälle eine sehr trockene Materie 🐪 Zum Glück steht bei uns grösstenteils der einfachere (?) und verständlichere (??) Alltag im Vordergrund 👨‍👩‍👦 – natürlich immer moralisch vertretbar 🙊 Danke, wir versuchen so fortzufahren.

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