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Wir haben nun fast schon eineinhalb Jahre lang die Ehre, unseren Nachwuchs tagtäglich bei seinen Tätigkeiten und Entwicklungen zu beobachten. Na gut, neben dem Beobachten greifen wir ihm ab und zu auch unter die Arme. Als er kürzlich so eine zehnminütige mit-sich-selbst-Beschäftigungsphase hatte, übermannte (und überfraute?) uns eine Prise Sentimentalität. Wie wurde in 18 Monaten aus unserem von uns abhängigen «Hämpfeli» ein so selbstständig junger «Bueb»? Vom Unwissen wie man sich ernährt bis zum selbstständigen Reinigen des Essplatzes in gut einem Jahr. Nicht schlecht. Was die kleinen Menschen in so kurzer Zeit leisten, ist bewundernswert. Mit eben dieser Bewunderung und Stolz schauten wir also dem Junior zu, wie er mit «Schüfeli und Bäseli» seine Essensreste am Boden zusammenwischte. Bezüglich Sauberkeit fällt der Apfel wahrscheinlich wirklich nicht weit vom Stamm. Lächelnd schauten wir uns an, genossen den Augenblick und fragten uns dann irgendwie beide wieso und wann die Entwicklung bei uns «Grossen» ins Stocken geraten ist.

Langsam aber sicher kommen wir im Hause Jaun in eine heikle Phase: Denn unsere Vorliebe zum ironischen Sprachgebrauch – mit gelegentlicher Tendenz zum sinnlosen «Lafare» – korreliert (noch?) nicht optimal mit dem angestrebten Sprachgebrauch, wenn die zwei kleinsten Ohren im Haushalt mithören. Der Jüngling gab uns schon mehrmals zu verstehen, dass er alles versteht. Oder besser gesagt: Das, was er verstehen sollte, versteht er nach Lust und Laune und das, was er ja nicht verstehen sollte, versteht er ausnahmslos immer. Ein Beispiel gefällig? Als er letztens ein Geschenk künstlerisch personalisierte und es farbenfroh anmalte, kam auch sein treuster tierischer Begleiter schnurrend zur illustren Malgruppe dazu. Mit unserem Kater Jasha hat er seit längerem übrigens eine sehr intensive Beziehung, welche vom harmonischen gemeinsamen Spielen über das sich nichts gönnende um-den-besten-Kuschelplatzkämpfen-bei-Mama bis zu ziemlich ruppigen dafür gut gemeinten Streicheleinheiten reicht. Beziehungsstatus: es ist kompliziert. Tut jetzt aber nichts zur Sache. Während dem konzentrierten Geschenkbemalen nuschelte ich also etwas von einem Schnauz in meinen Schnauz. Nämlich ein ähnlicher Schenkelklopfer wie vorhin das Wortspiel: «Jaro, du könntest ja noch Jasha einen Schnauz malen». Moll bravo, du Witzbold, dachte ich mir als uns der Jüngling zuerst fragend dann sehr entschlossen anschaute. Nur mit Mühe konnten wir die Geburtsstunde eines nahen Verwandten des gestiefelten Katers – der geschnauzte Kater – verhindern. Vorerst jedenfalls.

Nun gut, die stark fortschreitende Verständnisgabe des Nachwuchses war absehbar. Wir werden jetzt auch eine vor 20-Uhr-Sprache und ein nach 20-Uhr-Sprache einführen. Wehe dem, der uns also einmal zu einem Nachtessen besucht! Es könnte ein sprachliches Fiasko werden. Mal abgesehen davon, mehren sich bei uns aber auch die Kinnladen-runterfall-Momente. Wieso und weshalb weiss er, wie ein Stückchen Abfall in den Kehricht zu entsorgen ist? Wieso und weshalb weiss er, wie man eine Brille anzieht? Wieso und weshalb weiss er, wie man Katzen füttert? Tada! Auch hier wird einem mal wieder die elterliche Verantwortung bewusst. Schon verrückt, wie der Kleine unser Verhalten und unsere Tätigkeiten versteht, «aufsaugt» und umgehend adaptiert. Jeden Tag gefühlt zehn neue Dinge. Jetzt ist für uns also höchste Zeit, erwachsen zu werden. Oder mindestens so zu tun. Bis 20 Uhr.

Abschliessend widmen wir uns natürlich noch der eingangs gestellten Frage. Im gleichen Zeitraum wie der Jüngling etwas Neues erlernt, verlernen wir etwas Gelerntes. So fühlt es sich zumindest an. Wie kommt das? Kam die drastische Reduktion des Entwicklungs- und Lerntempos so schleichend, dass wir es kaum merkten? Ich könnte jedenfalls meine Hand ins Feuer legen, dass ich mich mit den Lernfähigkeiten der Kleinen seit langem mit Jaro’s Bisnonna wild gestikulierend und im reinsten «calabrese» über die Dorfgeschehnisse in San Marco Argentano philosophieren könnte. So aber scheitere ich Jahr für Jahr bereits am Grundwortschatz. Na ja, vielleicht ist es auch besser so, dass wir Grossen in diesem Bereich – und erstaunlicherweise auch in vielen anderen (Beweglichkeit ist auch so ein Ding!) – nicht mehr mit den Kleinen mithalten können. Sonst wer weiss, wo das hinführen würde. Geniessen wir also die Zeit, in welcher wenigstens einer im Haushalt täglich Fortschritte erzielt.

2 Comments

  1. Il Gatto con i baffi
    22. Dezember 2021 @ 8:28

    «Der geschnautzte Kater» ein ‹ohrenberaubender› Titel wobei der hier beschriebene Text gerne als wunderbar funktionierender Prolog einer mehrseitigen und -teiligen Kinderbuchgeschichte verwendet werden könnte, wo Abenteuer von «Jaro und dem geschnautzten Kater», zu einem süchtigmachenden Eintauchen in eine Phantasiewelt verleiten könnte: «Jaro und der geschnautzte Kater im Land der heulenden Hunde»; «Jaro und der geschnautzte Kater – auf der Suche nach Kandiszucker und Natrium Chlorid». Ich würde mich freuen.

    Reply

    • JWundEltern
      12. Januar 2022 @ 18:31

      Es gibt sie noch! Ideen mit Potenzial 💡 Jedenfalls in unserem Universum 🪐 Oder zumindest als Hirngespinste 🙈 Jemand sagte übrigens einmal: «Ein Visionär träumt Hirngespinste und verwandelt sie in Realität» 👀

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