«So! Genau so, und nicht anders.» In letzter Zeit schwirrt dieser eindimensionale Gedanke bei der Ausübung oder Beobachtung von elterlichen Tätigkeiten auffallend oft durch mein Denkorgan. Ohne es zu wollen, wurden aus Einschlaf-, Aufmunterungs- und Essmethoden mit dem Jüngling fast schon ausgeklügelte Taktiken. Oder im Olympia-Wording: vom Freistilschwimmen zum klassischen Brustschwimmen. Das hört sich erstmal sehr konservativ an. Aber hey: Kinder brauchen Routine. Da muss man nicht täglich das Rad oder eben die Schwimmtaktik neu erfinden. In der Annahme, dass keine Taktik monatelang sakrosankt sein wird, geschweige denn morgen noch erfolgreich ist, gewähren wir einen kleinen Einblick in die elterliche Taktik-Königsdisziplin. Das prozessorientierte Vorgehen zum zielführenden und zeitsparenden Einschlafen des Nachwuchses.
Ich lehne mich ein wenig aus dem Fenster und betitle Katja ebenfalls als «Brustschwimmerin». Selbstverständlich gibt es sowohl beim Schwimmen wie auch bei Elterntätigkeiten durchaus individuelle Taktik-Interpretationen. Sonst wäre es ja nicht witzig. Noch witziger wird es sobald zwei frei interpretierte Taktiken aufeinandertreffen und sie gegeneinander abgewägt werden. Etwa vergleichbar mit einem in derselben Schwimmbahn angesetzten Überholmanöver gegenüber eines (fast) gleich schnellen «Schwimm-Kontrahenten». Taktisches Schwimm-Elefantenrennen in mustergültiger Ausprägung. Die Leidtragenden? Alle ausser die Elefanten. Deshalb wissen wir mittlerweile, wie wir bei taktischen Eltern-Elefantenrennen am besten reagieren. Einer von uns gibt Gas, der andere bremst ab und Jaro kann überholen. Oder so ähnlich.
Einschlafen. Das Thema schlechthin. Auch bekannt unter der (teilweise!) letzten elterlichen Amtshandlung des Tages. Doch der Feierabend wird einem natürlich nicht geschenkt! Der erste Schritt ist die Erkennung von Jaros Müdigkeit – und schon das kann eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen sein. Gut teilweise (oder besser gesagt ein einziges Mal bis jetzt) schläft der Jüngling plötzlich auf dem Wickeltisch ein. Und wir dachten wirklich jetzt haben wir es geschafft, haha! Grösstenteils müssen wir ihm aber auf die Sprünge helfen, dass er eigentlich müde sein sollte. Dabei gilt die Faustregel: je mehr man das Gefühl hat, dass der heutige Tag so was von ermüdend gewesen sein sollte, desto weiter und länger bleiben die Augen am Abend offen. So oder so ist das Abend-Wickeln nicht zwingend seine Lieblingsdisziplin. Da müssen aber alle Beteiligte jeweils durch.
«Pischelen», «z’Nacht», «Zähndli» putzen, «Büechli» anschauen und dann der Schoppen. So die abendliche Grundidee. Auch bei uns lassen sich Ideen nicht immer exakt wie gewünscht umsetzen. Es kommt zwischendurch vor, dass auch unser Jüngling «Ueli Maurer-Allüren» hat: «kei Luscht!». In den letzten Monaten haben wir aber immer die Nach-Schoppen-Phase erreicht. Ab dann können wir uns dann mehrheitlich manchmal vereinzelt auf unsere Taktik verlassen. Die Taktiken lassen sich in unterschiedliche Phasen kategorisieren: Kinderzimmer, Gästebett (ab ca. 20 Minuten ohne «Erfolg»), Wohnungsrundgang (ab ca. 45 Minuten), Schlafzimmerbett (ab ca. 60 Minuten), Waldspaziergang (ab ca. 90 Minuten), situative Verzweiflungsversuche wie beispielsweise Walgesänge abspielen (ab ca. 120 Minuten). Bis zur Schlafzimmerphase übernimmt jeweils entweder Mami oder Papi. Und spätestens ab dann bietet der Nicht-Diensthabende dem Diensthabenden Ablösung oder Unterstützung an.
Übungsziel ist im Grundsatz das Erzielen eines Missionserfolges in der Kinderzimmerphase. Dort fahren wir auch mit den schwersten Taktik-Geschützen auf. Meine Grundtaktik heisst «Angriff ist die beste Verteidigung» und lässt sich wie folgt umschreiben: Unter Angriff verstehe ich die aktive Unterstützung in der Einschlafphase, um möglichst eine «wieso-schlafen-Phase?!» – oder eben die Verteidigung – zu umgehen. Zuerst braucht es exzellentes Reaktionsvermögen: Der Wechsel vom letzten Schoppenschluck zum ersten Nuggi-Nuggelen gilt es ohne Unterbruch zu ermöglichen (Achtung: hohes «Töipeli»-Potenzial bei falschem Timing). Dann braucht es Rhythmusgefühl: Junior zur «Görpsli»-Förderung aufnehmen und zehn leichtfüssige Zimmerdiagonale gehen und dabei mit der richtigen Mischung zwischen sanft und bestimmt wiegen. Dann braucht es Einfühlvermögen: Liebevoll und gutzuredend ins Bett legen, über den Kopf streicheln und «Hans der Bär» in optimaler Umarmungsposition übergeben. Dann braucht es Schleichfähigkeiten: Sind deutliche Schlaftendenzen ersichtlich, gilt es das Kinderzimmer möglichst geräuschlos zu verlassen (mein rechter Knack-Zeh ist da übrigens alles andere als förderlich!). Feierabend! Oder dann eben das Ganze noch einmal.
Katja’s Taktiken sind sehr vielfältig und reichen vom Tanzeinschlafen bis zum «Einsummen». Und Hand aufs Herz: bei Mami fühlt man sich so oder so (fast) immer aufgehobener. Letztlich weihte sie mich aber in eine sehr naheliegende und überaus effiziente Taktik ein. Mami-Meistertaktik «Prinzip Hoffnung». Heisst: Schoppen rein, Schoppen raus, Nuggi rein und dann hoffen. Und siehe da! So geht es auch. Jedenfalls bei Mami.
19. August 2021 @ 18:39
Ein weiteres Mal viel Interessantes, von früher Bekanntes, zum Schmunzeln… !